Urs Odermatt Arnold Odermatt The Odermatt Channel The Odermatt Shop Nordwest Film AG, alte Spinnerei 1, 5210 Windisch, Schweiz, +41 56 442 95 90, mail@nordwestfilm.ch Seid nett zu Mr. Sloane von Joe Orton Theater Stück Dramaturgie Inszenierung Presse Photos

„Wie komisch ist Perverses?“, fragte der Kritiker Ernst Wendt betulich, als 1964 in Hamburg Joe Ortons Seid nett zu Mr. Sloane erstmals bei uns gespielt wurde. Die Antwort gab der Erfolg: Sehr komisch offenbar, was überrascht bei einem Autor, der drei Jahre später ähnlich grell ums Leben kommt wie der alte Kemp, dem Mr. Sloane (das dramatisiert hier ziemlich) den Kopf in die Waschschüssel drückt.

 

Orton wurde 1967 im Bett mit einem Hammer erschlagen, aber doch wenigstens aus Eifersucht. Ortons Bühnenwelt ist kälter. Kemp muß sterben, weil er stört. Er stört Mr. Sloane, den kleinen Stricher aus dem Waisenhaus, der sich bei Kath eingenistet hat. Kemp weiß was von ihm und droht mit der Polizei. Außerdem stört er das sexuelle Vergnügen,das Mr. Sloane abwechselnd Ed und Kath bereitet. – In der Inszenierung von Urs Odermatt im Kleinen Theater ist das ganz einfach: Der alte Kemp stört, weil er immer hinter der Tür steht (Bühne Rolf Cofflet). Also wischt ihn Mr. Sloane weg wie ein Insekt. Ebenso beiläufig gehen Ed und Kath über den Mord zur Tagesordnung über, die sich sehr praktisch für sie zu gestalten verspricht. Sie teilen sich Mr. Sloane.

 

Denn jetzt haben sie ihn für immer. Er tanzt nun nach ihrer Pfeife, der bislang sie gegeneinander ausspielen konnte. Pervers komisch sind nicht Mord und Promiskuitat, sondern der Gebrauch, der davon gemacht wird. Im Soziologendeutsch: ihr Herrschaftscharakter, die Instrumentalisierung von Sexualität. Erst ist Mr. Sloane obenauf, dann Kath, dann Ed.

 

Aber da ist sie schon schwanger. Deshalb bekommt Ed Mr. Sloane das erste halbe Jahr. Es gehörte zu Joe Ortons Lieblingsideen, daß eine freie Sexualität das Vereinigte Königreich von vielen Problemen befreien könnte. Gottlob war er kein Soziologe, sondern der Dramatiker, der in den sechziger Jahren den besten Dialog geschrieben hat.

 

Selbst das Kleine Theater, mit dem Schwulengenie Joe Orton auf Abwegen, hat nicht unterschlagen können, daß Seid nett zu Mr. Sloane eins der stärksten Stücke damals auf den Londoner Bühnen war. Es ist das modifizierte Lustspielschema, nach dem – dramaturgisch gesehen – zur funktionierenden Dreieckskomödie immer ein Vierter als Störenfried gehört. Nur, daß er hier nicht gerade lustspielmäßig entfernt wird.

 

Sicher, der Schweizer Fernsehfilmer Odermatt ist ein Newcomer auf der Bühne. Er lehnt sich beim Fernsehen noch an. Wenn Kath ihren Schlüpfer an die Leine hängt („Ich bin nur ganz leicht angezogen“), Mr. Sloane munter macht und diesem – den Blick zwischen ihre Beine – die Kinnlade auf die unbehaarte Brust knallt, dann erstehen Beavis and Butt-Head vor unserem geistigen Auge und Ortons Personal als frühe Vorläufer.

 

Dazu magert Odermatt freilich die Figuren stark ab. Allen fehlt, was erst spielbar macht, das Fleisch. Aber mag auch Christine Uhdes Kathrin dann nur noch ihre Sexgier vorzeigen und Hans-Jürgen Papst den Zuhälter Ed im Nadelstreif und Walter Sandner einen triefäugigen alten Mann und Peter Kempkes viel nackte Brust – diese Stückdiät einmal akzeptiert, sind sie komisch wie ein paar nur ein bißchen perverse Comic-Strip-Figuren.

H.D. Terschüren

Vom Mord zur Tagesordnung

Rhein-Zeitung, Koblenz, 2. März 1995

Mr. Sloane

Sie haben einen Sohn?

 

Kemp

Wir reden nicht miteinander.

 

Mr. Sloane

Seit wann?

 

Kemp

Zwanzig Jahre.

 

Mr. Sloane

Kein Wort seit zwanzig Jahren? Nicht etwas hart?

 

Kemp

Er war ein braver Junge. Wunderbarer Sportler als Kind. Hat mal einen Sommer lang jedes Tor im Fußball geschossen. Wild auf Sport war er. Pause. Dann kam ich eines Tages unerwartet nach Hause, kurz nachdem er siebzehn war, und ich fand ihn in seinem Zimmer bei einer scheußlichen Betätigung.

 

Mr. Sloane

Echt?

 

Kemp

Hab’ ihm nie verziehen.

 

Mr. Slonane

So puritanisch?

 

Kemp

Ja.

 

Mr. Sloane

Kommt oft vor, sollt’ ich denken. Ich sperr’ immer die Tür zu.

 

Kemp

Ich hatte den Schlüssel abgezogen.

 

Mr. Sloane

Vorahnung?

 

Kemp

Vorsicht.