Urs Odermatt Arnold Odermatt The Odermatt Channel The Odermatt Shop Nordwest Film AG, alte Spinnerei 1, 5210 Windisch, Schweiz, +41 56 442 95 90, mail@nordwestfilm.ch Theater Stück Dramaturgie Inszenierung Presse Photos

Was erwarten Sie von der Umsetzung von „Dieses. Kleine. Land.“ auf der Bühne? Sie haben den Regisseur Urs Odermatt sehr frühzeitig kennengelernt, als ihr Stück noch gar nicht geschrieben war?

 

Ich bin da sehr offen. Der Regisseur Urs Odermatt, der aus der Schweiz kommt, einem kleinen Land, ein Mann, der auch Filme macht, auch sehr radikal mit der Bühne umgeht, sehr radikal mit den Schauspielern, der wird mich sicher sehr erschrecken, aber auch erfreuen. Ich habe schon die Bühnenbildentwürfe gesehen, und alles ist ganz anders, als ich das beschrieben habe. Wenn jemand aus der Distanz heraus Neues entdeckt, wenn er etwas härter oder weicher macht, dann bin ich sehr froh darüber. Das Theaterstück ist nur ein Teil des Theaters, ein wichtiger Teil, aber da kommen die Schauspieler, das Bühnenbild, der Regisseur hinzu. Ich werde staunen. Das Erstaunen, heißt es bei den Griechen, ist der Beginn aller Philosophie.

Michael Birkner

„Ich brauche nichts zu erfinden...“, Werkstattgespräch mit Alfred Gulden

Programmheft zur Uraufführung, Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken 2005

 

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...als (...) Beispiel für das breite Spektrum an Inszenierungsstilen im Schauspiel des Saarländischen Staatstheaters seien die am verstörendsten die Erwartungen ans Sprechtheater durchkreuzenden Arbeiten des Film- und Theaterregisseurs Urs Odermatt erwähnt. Seine Uraufführungen von Rolf Kemnitzers Die Bauchgeburt und Alfred Guldens Groteske Dieses. Kleine. Land. konfrontieren den Zuschauer mit einer Überfülle der sprachlichen und körperlich-gestischen Zeichen. Informations- und Impuls-Überfülle verweisen durch die filmschnittartige Videoclipästhetik auf das Ausschnitthafte unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit und den Charakter des Sinnzusammenhangs als perspektivisches Konstrukt. Der Zuschauer muß seine kontemplative Haltung gegenüber dem Dargestellten ganz aufgeben und bewußt selektiv wahrnehmen. Die Grenze zum Nicht-semantisch-Faßbaren wird bei dieser Darstellungsform überschritten: Energetik tritt dort an die Stelle von „Sinn“, wo der Abgrund der Kommunikationslosigkeit und die Pervertierung von Sinnfragen zu reinen Machtfragen im Zuschauer evoziert werden soll. Odermatts Theater der rhythmisierten, verfremdeten, chorischen Stimmen und der expressiven Körperlichkeit versucht mit dem zu konfrontieren, was man auf der Oberfläche des medialen Theaters nicht sieht.

Michael Birkner

Nur keine Komplexe – 15 Jahre Theater für das Saarland

Texte, Bilder, Daten zur Intendanz von Kurt-Josef Schildknecht

Gollenstein Verlag, Blieskastel 2005, ISBN 3-938823-07-0

 

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Gattin

Das ist kriminell.

 

Chef

Kriminell? Dieses Schwein, das in die Bank eingeheiratet hat, er hat nicht die Tochter des Bankiers geheiratet, er hat die Bank geheiratet. Und jetzt löst er sie auf. Schickt die Leute in die Ungewißheit, die Arbeitslosigkeit. Macht unser Land arm und ärmer. Das ist kriminell! Dich hätte er nie geheiratet. Eine Schauspielerin. Er hat dir nur den Hof gemacht, um mich zu treffen. Mich wollte er treffen. Es ging nicht um dich. Du warst ihm doch gleichgültig. Er hat das Geld geheiratet. Nicht die häßliche Tochter des Bankiers.

 

Gattin

So häßlich ist sie nicht.

 

Chef

Ich bitte dich. Du warst eine Schönheit. Sie war unscheinbar. Ein Nichts, nur durch die Millionen des Vaters etwas. Jeder hat das gewußt. Dich hätte er nie geheiratet. Das Geld und die Macht, die er damit hatte, die er damit hat, das hat gezählt, das zählt, das hat ihn gereizt. Er ist skrupellos. In jeder Hinsicht. Ein Schwein. Ich weiß es. Ich kenne ihn. Er benutzt alles und alle. Das ist kriminell. Aber dafür wird man geehrt. Die Gesellschaft ehrt ihn. Er wird bewundert. Du bewunderst ihn auch. Ich weiß es. Aber du bist mit mir zusammen. Mit mir. Du weißt, was das heißt.

Ich brauche nichts zu erfinden – es ist alles schon da, nur viel schlimmer

Alfred Gulden

 

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Dieses. kleine. Land. – da haben die doch tatsächlich gemeint hier, ich schreibe ein Stück über Müller und Lafontaine. Nein, ich schreibe ein Stück über Mißbrauch von Ideologien, von dumpfen Begriffen. Ein Mißbrauch, und der wird von allen betrieben, die Macht haben.

 

 

War das Stück zu abstrakt?

 

Ja, bis hin zu Professoren, die gesagt haben: Ja, man kann nichts greifen. Und sie haben gefragt: Und die Moral von der Geschicht? Kann ich auch ganz simpel antworten: Man kann nicht einfach sagen: Ich bin für die Auflösung dieses kleinen Landes Saarland oder gegen die Auflösung. Ich bin gegen die Politiker, die mit der Auflösung oder dem Bewahren ihre Posten, ihre Macht stabilisieren. Es geht um Eitelkeit und Macht. Es geht um Mißbrauch von Identitäten. Es gab Universitätsprofessoren, die gesagt haben: Man muß doch mal Klarheiten schaffen! Aber das ist doch klar, was da passiert. Und Dieses. kleine. Land. ist ein Heimatstück. Aber kein Stück, das dem Saarland klarmacht, daß man kämpfen muß für seine Heimat. Du mußt gegen diese Leute kämpfen, die diesen Begriff Heimat schamlos benutzen. Die würden diese Heimat genau so verkaufen. Schau nach Tschetschenien. Das ist etwas, wo ich meine, da wird Heimat gefährlich.

Alfred Gulden

Gespräch mit Prof. Dr. Heinz Schilling

Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie

Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2007

 

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...daß Du eine hochbegabte und überaus fleißige Persönlichkeit bist, war mir damals schnell klar, hat sich oft bestätigt – bis zu Der böse Onkel, der herausragend gut ist! Auch wenn ich bei Dieses. kleine. Land. am Saarländischen Staatstheater zwei, drei Regieideen domestizieren wollte, was du absolutistisch abgelehnt hast, die Zuschauer in Saarbrücken haben Dich für Deinen großen, auch groß grotesken Humor geliebt.

Michael Birkner, Dramaturg

E-Mail an Urs Odermatt

Dieses. Kleine. Land. von Alfred Gulden