Urs Odermatt Arnold Odermatt The Odermatt Channel The Odermatt Shop Nordwest Film AG, alte Spinnerei 1, 5210 Windisch, Schweiz, +41 56 442 95 90, mail@nordwestfilm.ch Filme Inhalt Besetzung Stab Presse Photos Auswertung

Auf dem Friedhof eines Schweizer Bergdorfs verkriecht sich eine angeödete Gesellschaft hinter ihren schwarzen Regenschirmen. Die herrische Mutter des Einödbauern Windleter ist gestorben, ihr Tod preßt niemandem eine Träne ab. Die Kapelle ringt mit dem Takt eines drögen Trauermarsches, der Pfarrer zwingt seine Meßbuben mit Kopfnüssen in die rechte Kondolenzhaltung. Der feiste Schankwirt vom „Hirschen“ faltet die Hände nur, um seinen Schirm besser in den Griff zu kriegen, die kokette Bäckerstochter im Jeansminirock nutzt die Gelegenheit, Bein zu zeigen und die rote Schleife ihres Pferdeschwanzes besser in den Mittelpunkt zu rücken. Der Gemeindeschreiber, ein hemmungsloser und gewalttätiger Schürzenjäger, raucht ungerührt seine stinkenden Maisstumpen.

 

Und der Hinterbliebene? Ein abwesendes Lächeln, dann klatscht Windleter (Wolfram Berger) ein wenig nasse Erde auf den Sarg der Mutter. Der Matsch fällt dem hölzernen Gekreuzigten aufs Gesicht, der Lebende wie Tote hier unentwegt begleitet. Sehr unappetitlich sieht das aus, so lieblos und besudelt eben wie die ganze Conditio humana des Dorfes, dessen verlogene Gemeinschaft der Schweizer Regisseur Urs Odermatt in seinem Debütfilm Gekauftes Glück gleich zu Beginn mit entlarvender Detailfreudigkeit vorführt. Die Blicke, die die Feierlichkeiten des Begräbnisrituals durchkreuzen, sind schon die halbe Alpensage, sie erzählen von Unterdrückung und Lüsternheit, von der aasigen Intoleranz und dem boshaften Tratsch, der die Beziehungen der Dörfler dominiert.

 

Das Zusammenleben nach den fadenscheinigen Moralvorstellungen der weltlichen und geistigen Dorfgewaltigen funktioniert nur noch, weil nicht bloß die Honoratioren, sondern auch die verachteten Außenseiter wort- und widerspruchslos in den ihnen zugedachten Rollen verharren. In der Starre dieser zwischen den Bergen vergrabenen Welt festigen selbst die aufreizenden Protestbewegungen der Bäckerstochter Jeannine nur die Stammtischüberzeugungen der geilen Spießer, fesseln die scheinbar eigenwillige Femme fatale des Dorfes Oberrickenthal immer mehr an die verhaßte Heimat. Nur in dieser Umgebung, in der sie die Hure sein muß, findet sie überhaupt Bestätigung: in der Stadt, von der sie träumt, wäre sie nur ein Jeansmädchen unter vielen.

 

Ausgerechnet in diese Enklave der Vergeblichkeit, in der (Dorf)-Richter und Gerichtete schon aus Langeweile und mangelnder Phantasie aneinander festhalten, bringt der naive Windleter eine Fremde, eine eigens für ihn importierte Bauerntochter aus Thailand: das Glück der Andersartigkeit, das sich der Einsiedler auf Brautschau in Zürich bei einem geschäftstüchtigen Bordellbesitzer bestellt hat. Während sich aber der ortsunüblich zartbesaitete Windleter und die verschüchterte Schöne beim Melken und Misten, bei Curryreis und Obstler auch ohne Worte nahekommen, gärt es im Dorf. „Hiesiges Fleisch ist den Herren wohl nicht mehr gut genug“, hetzen die Frauen. Ihre Eifersucht paart sich unheilbringend mit der Begierde der Männer, die in der neuen Windleterin nur die bestellte Hure sehen wollen:  Das Exotische, das Schöne, das Unbekannte, es muß in ihrer Imagination verdorben sein.

 

So treibt das Dorf, geeint in sexistischer Pogromstimmung, den Preis für das erkaufte Glück ein. Stellvertretend für alle, die ihr auflauern wollen, wird die Thailänderin vom zügellosen Gemeindeschreiber überfallen. Der Kampf mit ihrem Peiniger bricht ihr das Genick. Ihr Tod, das zeigt der Film mit quälender Nüchternheit, ist nur der entgangene Genuß ihrer potentiellen Vergewaltiger. Die Blicke, die die Lästerlichkeit des neuerlichen Begräbnisrituals durchkreuzen, treffen auf eine Leerstelle, suchen das nächste Opfer.

 

Das auszusprechen ist nicht Sache dieses stillen und eindringlichen Films, es ist auch nicht nötig. Urs Odermatt, dem nicht nur mit Werner Herzog in der Rolle des verwilderten Gemeindeschreibers eine Reihe unverbrauchter, von keinerlei Chargenspiel verdorbener Darsteller zur Seite standen, ist mit seinem Debütfilm ein kleines Kunststück gelungen: Eine sorgfältige Choreographie der Blicke, die sich von der gängigen Geschwätzigkeit des deutschsprachigen Autorenfilms wohltuend abhebt.

Heike Kühn

Das Böse in den Bergen – Urs Odermatts eindringlicher Debütfilm „Gekauftes Glück“

Frankfurter Rundschau, 11. März 1989

 

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Manchmal wühlen sich ganz unverhoffte Talente mit einem Schlag aus dem Unterholz ans Licht: Dieser Urs Odermatt aus der ländlichen Schweiz hat hier erstaunlich kühl und klar einen drastischen Bergbauernheimatfilm in die Landschaft gesetzt, genüßlich schön photographiert (Rainer Klausmann) – und im malerischen Bergdorfidyll die harte, erbarmungslos von Tradition und Sitte niedergehobelte Gefühlswelt von groben Mannsbildern, die sich nicht trauen, der Mutter am Hof ein zweites Weiberleut daherzubringen, aber derb hinlangen, wenn’s ums Vergnügen geht.

 

Kaum ist seine böse Mutter unter der Erde, braucht der Windleter (Wolfram Berger) eine Frau zum Arbeiten auf dem Hof – aber die, die zwanzig Jahre auf ihn gewartet hat (voll vom Gift verlorener Jahre: Annamirl Bierbichler), ist ihm mit achtunddreißig zu alt. Bei der Ehevermittlerin (Helen Vita) geht für Bergbauern nichts – also kauft er sich eine Thailänderin beim städtischen Bordellbetreiber.

 

Die neue Thaibäuerin (Arunotai Jitreekan) ist fleißig und lieb, die Dörfler schauen geil, brutal und neidisch (Männer) oder bitterbös hämisch (Frauen) – und der Gemeindeschreiber (fieser Machodrecksack: Werner Herzog) schmeißt sie, als er sie nicht kriegt, von der Leiter: Ein „Unfall“-Tod von finsterer Gemeinheit. Bei der Beerdigung ist die gesamte Gemeinde wieder ordentlich versammelt.

 

Eine oft schrille Mischung aus Naturalismus und wüster Karikatur (der Pfarrer wird zum rabiaten Monster), in der dennoch eine ursprüngliche fabulierfreudige Beobachtungsgabe steckt: Ein kraftvoller Erstlingsfilm mit Ecken und Kanten – Gebirglermelodram und Wirtshausposse mit Bauernnotstand und Kanzelwut.

Ponkie

Eine herbe Liebeserklärung

AZ, München, 2. März 1989

 

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Da wird geflucht, geschimpft und mit unflätigen Worten geredet, daß es einem kalt den Rücken herunterläuft. Die Bergbauern und Handwerker in Urs Odermatts zweitem Spielfilm, Gekauftes Glück, sind ungehobelte Rohlinge – überzeichnet bis zur Karikatur, aber keineswegs jenseits der Wirklichkeit. Wer schon in abgelegenen Weilern Militärdienst geleistet hat, kennt diesen Schlag Menschen. Bei einigen versteckt sich hinter der harten Schale ein weicher Kern, bei anderen ist auch das Herz zu Stein geworden – jedenfalls in Odermatts Film. Fremdenhaß, Begehrlichkeit und Mißgunst sind die Triebkräfte der Tragödie, die sich im fiktiven Innerschweizer Dorf Oberrickenthal abspielt. Zu Beginn wird die Mutter des Nidwaldner Bergbauern Windleter (Wolfram Berger) zu Grabe getragen. Da sie nie eine andere Frau neben sich geduldet hatte, ist Windleter ledig geblieben. Ohne Frau aber kann er sein Bergheimet nicht bewirtschaften. Vreneli (Annamirl Bierbichler), die vor zwanzig Jahren einmal sein Schulschatz war, ist zu einer verbitterten alten Jungfer geworden. Weder die laszive Bäckerstochter Jeannine (Marie-Thérèse Mäder), noch die Mädchen auf dem Tanzboden in Stans wollen auf den Windleten-Hof ziehen. Schließlich läßt sich Windleter von einem Zürcher Zuhälter für teures Geld eine thailändische Bauerntochter (Arunotai Jitreekan) kommen, die er vom Fleck weg heiratet.

 

Die Beziehung des ungleichen Paares, das kein Wort miteinander reden kann, entwickelt sich erstaunlich gut. In Gesten, Blicken und spontanen täglichen Hilfeleistungen erfährt der einfache Bauer zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Zärtlichkeit. Doch das ganze Dorf stellt sich gegen die Fremde: die Frauen aus Neid, die Männer aus Begehrlichkeit. Die liebenswürdige Thailänderin wird als Hure behandelt, mit der man sich alles erlauben kann. Einzig der „Hirschen“-Wirt (Mathias Gnädinger) macht das Kesseltreiben nicht mit. Als die Fremde einmal allein zu Hause ist, macht sich der finstere Gemeindeschreiber Businger (in Kinski-Manier vom Filmregisseur Werner Herzog gespielt) an sie heran. Dabei stößt er sie so unglücklich von einer Leiter, daß sie zu Tode stürzt.

 

Urs Odermatts kühner, in prägnant strukturierten Bildern erzählter Film greift nicht nur das aktuelle Problem der fehlenden Frauen in Berggebieten auf, er handelt auch von der Sprachlosigkeit und inneren Verrohung des modernen Menschen. Fern von allen Gotthelf-Idyllen steht Gekauftes Glück im geistigen Umfeld von Peter Fleischmanns kritischem Heimatfilm Jagdszenen aus Niederbayern. Ähnlich wie seine literarischen Vorbilder Horváth und Kroetz verurteilt Odermatt seine Figuren nicht – er hat Mitleid mit ihnen. Das Strindberg-Wort „Es ist schade um den Menschen“ könnte als Motto über seinem Film stehen.

Gerhart Waeger

Innerschweizer Jagdszenen

TR 7, Zürich, 23/1989

 

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Der Vater ist schon lange tot, dann stirbt die Mutter, und nun ist der Bergbauer Windleter ganz allein auf seinem abgelegenen Hof in den Schweizer Bergen. Die Zeit sei reif, findet er, daß eine Frau her muß – doch das ist gar nicht einfach, denn das Vreneli, seine Flamme von früher, will nicht mehr, und auf zahlreiche Inserate hin findet sich kein weibliches Wesen, das den Weg in die Einsamkeit gehen will, der zudem Entbehrungen und schwere körperliche Arbeit mit sich bringt.

 

Der Windleter kommt nun, angeregt von einem Zuhälter in Zürich, auf die Idee, sich eine Frau gegen Bargeld aus Asien einfliegen zu lassen: Ein kühner und natürlich illegaler Plan mit offenem Ausgang, denn niemand weiß ja vorher, wen die bezahlten Schlepper da anbringen. Um so mehr reibt sich unser Bauer die Augen, als er seine zukünftige Frau erstmals sieht – eine zarte und schöne Thailänderin, die zwar kein Wort Deutsch spricht, wohl aber die bäuerliche Arbeit kennt und annimmt.

 

Wie der Windleter und seine Arunotai mühsam, aber beharrlich zueinanderfinden, wie sie scheinbar die Kluft der unterschiedlichen Kulturen überwinden können, dann aber immer mehr mit den Vorurteilen im Dorf, mit der Geilheit der Männer und der Eifersucht der anderen Frauen konfrontiert werden, das erzählt der junge Schweizer Regisseur Urs Odermatt in seinem Spielfilm Gekauftes Glück, der als Koproduktion des Schweizer Fernsehens mit dem ZDF entstand und heute zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. „Die tragische Liebesgeschichte ist anrührend und zugleich aggressiv erzählt“, kommentiert Alfred Nathan in Mainz. „Die bornierten Dörfler werden nicht geschont. Aber die Schärfe und Einseitigkeit, mit der diese Figuren gezeichnet sind, ist nicht plump, sondern witzig und genau. Und eine Prise Ironie schützt das liebevoll beobachtete Paar vor jeder Sentimentalität“. Im übrigen schüttelte sich Odermatt diese Geschichte nicht einfach aus dem Ärmel, sondern schöpfte sie aus der Realität: Jedes Jahr heiraten unzählige Schweizer Jungbauern Frauen aus Dritte-Welt-Ländern, weil sie in ihrer Heimat keine Partnerinnen finden. Odermatts Film ist aber ein Märchen mit utopischen Zügen, denn die Mehrzahl dieser Versuche enden für die importierten Frauen in Vereinsamung, Isolation oder auf der Straße.

 

Arunotai Jitreekan wurde für diesen Film direkt aus Thailand engagiert, ihren Ehemann spielt Wolfram Berger, und Odermatts weltbekannter Regiekollege Werner Herzog verkörpert den Dorffiesling Businger; weitere Darsteller sind Mathias Gnädinger, Günter Meisner, Michael Gempart und Annamirl Bierbichler sowie in der Nebenrolle der Heiratsvermittlerin Helen Vita.

Karsten Witte

Die importierte Frau

Süddeutsche Zeitung, München, 22. April 1991

 

Märchen mit utopischen Zügen

Frankfurter Rundschau, 22. April 1991

 

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In einem Schweizer Bergdorf ist auf dem abgelegenen Hof Windleten die alte Bäuerin gestorben. Zurück bleibt der einzige Sohn – unverheiratet. Nun hockt er da, der gutmütige 40jährige Windleter und braucht dringend eine Frau, um den Hof zu bewirtschaften. Aber er findet keine, die zu ihm paßt. Weder beim Tanzen, noch durch Inserate. Schließlich bietet ihm ein Zuhälter ein thailändisches Bauernmädchen an. Fünftausend Franken blättert Windleter hin für sein gekauftes Glück. Und dieses Glück stellt sich zunächst ein. Arunotai, das zauberhafte Geschöpf aus dem fernen Bangkok, spricht zwar kein Wort Deutsch, weiß dafür aber zuzupacken auf dem Hof. Langsam lernen sich der derbe Schweizer und die schüchterne Asiatin verstehen. Nur unten im Dorf herrscht Beschränktheit und Neid. Machoallüren und Weiberfrust, kurz eine haßerfüllte Ablehnung all dessen, was man selber gerne hätte. Schließlich zerstört der Dorfmacho, ein lüsterner Widerling, die wachsende Nähe des Paares.

 

Es ist eine bitterböse Geschichte, die hier der Schweizer Regisseur Urs Odermatt in seinem Spielfilmdebüt Gekauftes Glück erzählt. Er kennt seine Landsleute gut, stammt er doch selbst aus einem dieser Nester. „Es sind Dinge, die ich in der Jugend mitbekam. Viele Bauern haben bei uns große Probleme, Frauen zu finden, weil diese heut’ mobiler sein wollen und nicht mehr die Einsamkeit eines abgelegenen Hofes zu ertragen bereit sind.“ Aus diesem Grunde wurde ihm anfangs verboten, im Dorf Isenthal im Kanton Uri zu filmen. „Es ist die Spießigkeit, von der Max Frisch so häufig schrieb.“

 

Die vorzügliche Kameraführung von Rainer Klausmann, fern von der Skizzierung bekannter Schweizer Urlaubsidyllen, untermalt Odermatts Klage über die Verbote und rüde Gesellschaft: Fast durchweg ist der Himmel bedeckt. Die Farben sind von Dunstschleiern gedämpft, so daß etwas unausweichlich Unheimliches fortwährend in der Luft liegt. Die Gesichter sind so, wie wir sie nun einmal im richtigen Leben beobachten: verbohrt, verkniffen oder vergrämt und manchmal auch ungeschützt. Im Grunde weiß man von Anfang an, wohin Odermatts Geschichte steuert, da die Gefühle schnell freigelegt werden. Dennoch bleibt zunehmend Verwunderung über eine Gesellschaft, aus der man selbst stammen könnte.

Immo von Fallois

Angst essen Seele auf – Urs Odermatt erzählt von der Fremdenfeindlichkeit in einem Schweizer Bergdorf

Die Welt, Bonn, 22. April 1991

 

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Diese deutsch-schweizerische Koproduktion unter der Regie von Urs Odermatt setzte auf düstere Farben und Stimmungen, auf verhaltene Dialoge, die nur im schwerfällig-widerborstigen Schweizerdeutsch geführt wurden und mangels Untertiteln schwer zu verstehen waren. Dadurch wurde das Publikum immer vertrauter mit der Rolle der bedrohten Thaifrau, die ebenfalls auf Interpretationen der Handlung angewiesen war. So eindringlich die Bilder, so düster die bizarre Atmosphäre zu Beginn waren, mit der Zeit wurde aus der ganz speziellen Liebesgeschichte eines Schweizer Bauern ein allgemeines Lehrstück über die Verbohrtheit der Menschen, die Neues ablehnen, sich davon nur bedroht fühlen. Letztlich bringen sie die Frau um. Dramatisch!

doro

Lehrstückhaft

Nürnberger Zeitung, 24. April 1991

 

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Jungbauern tun sich heute schwer mit einer Jungbäuerin. Erst recht, wenn es sich um einen Schweizer Bergbauern handelt, der sich eine Frau auf seinen abgelegenen Hof holen will. Das aktuelle Problem reizte den jungen Schweizer Regisseur Urs Odermatt, eine aktuelle Geschichte zu erzählen, die das unerfreuliche Thema ad absurdum führte. Denn nicht nur, daß der soeben elternlos gewordene Bergbauer Windleter in letzter Verzweiflungstat eine beim Zürcher Zuhälter vorausbezahlte thailändische Bauerntochter einfliegen läßt, das Risiko führt sogar zum Erfolg. Zwar verstehen sie nicht, was der Partner redet, aber sie finden aus Zuneigung die richtige Sprache und nehmen sich gegenseitig auf sanfte Weise liebevoll an. Eine zarte, innige Annäherung zweier Welten, die ein echtes Glück hätte werden können.

 

Doch da war das Dorf, waren die Schandmäuler und ihre Vorurteile, die den Haß auf die Fremde nicht nur verbal verbreiteten. Der Schlimmste tötete sie fahrlässig beim Versuch, sie zu vergewaltigen. Für die Leute vom Dorf findet Odermatt die schockierende Sprache des im Schweizerdeutsch Gröbsten, Ungehobelsten und Gewalttätigsten ihres Jargons. Zwielichtig war zudem die Rhetorik des fanatischen Pfarrers. In solcher Luft kann und darf wohl ein so zartes exotisch-schweizerisches Pflänzchen der Liebe nicht gedeihen.

 

Ein starkes Drehbuch, verwirklicht in einem starken Film, dank seiner konsequenten, unsentimentalen Ausdrucksfähigkeit und dem dichten Spiel seiner Hauptdarsteller Wolfram Berger und Arunotai Jitreekan sowie Regisseur Werner Herzog als brutaler Totschläger.

suc.

Ein starker Film

Schwarzwälder Bote, Oberndorf a.N.,  24. April 1991

 

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Welches Mädchen möchte schon beim Bergbauern Windleter auf dessen kargen Schweizer Hof einheiraten? Schließlich wendet er sich an einen Zürcher Zuhälter, der ihm für fünftausend Franken die „Ware“ aus Thailand liefert: Gekauftes Glück.

 

So beginnt ein Märchen. Mit roten Rosen holt Windleter seine schwarzhaarige Arunotai am Flughafen ab. Sie entpuppt sich als unschuldig-saubere Bauerntochter, die zupacken kann: melken, Mist breiten, Schweine füttern!

 

Allmählich keimt eine eidgenössisch-thailändische Liebe auf; aller Häme, Gemeinheit und Geilheit der Dorfbewohner zum Trotz. Wenn Arunotai friert, zieht Windleter ihr dicke, wollene Socken an. Reizend steht sie da, rotbestrumpft neben dem Misthaufen... Hunderte von Schweizer Bauern heirateten in letzter Zeit Mädchen aus Dritte-Welt-Ländern; die Ehen wurden nur selten glücklich. Dieser Heiratsmarkt inspirierte den Schweizer Regisseur Urs Odermatt zu seinem Film, frei von allem Kitsch. Sein Märchen endet traurig: Arunotai wird ermordet. Und man hätte doch so gerne einmal ein schönes Märchen zu Ende geträumt!

Ve

Arme Arunotai

Augsburger Allgemeine, 24. April 1991

 

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Ein Film, der mit dem Trauermarsch am offenen Grab beginnt, kann nur böse enden: Das gekaufte Glück wird zur Tragödie. Überhaupt wird in der deutsch-schweizerischen Koproduktion von Urs Odermatt ein bedrückendes wie erschreckendes Bild gezeichnet.

 

In diesen Schweizer Bergen gibt es keine Spur von dörflicher Idylle und heiler Welt. Es wimmelt von bösen Menschen, Intoleranz und niederen Motiven. Als gemeinster unter all diesen Buhmännern erscheint Werner Herzog, der hier überzeugend vor, statt hinter der Kamera steht. Nur Wolfram Berger als Einödbauer, der keine Frau findet und sich daher ein Thaimädchen kauft, zeigt gleichermaßen Herz und Verstand.

Maggie Riepl

Bedrückend

Berliner Morgenpost, 24. April 1991

 

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Karg ist das Leben der Schweizer Bergbauern, bestimmt vom strengen Rhythmus: harte Arbeit und seltenes Vergnügen. So illusionslos und ohne jeden Alpenländerkitsch hat der Regisseur Urs Odermatt seinen Film Gekauftes Glück erzählt. Mit dem Tod beginnt die Geschichte: Der junge Bauer Windleter hat seine Mutter verloren. Nun sucht er eine Frau für den Hof. Vergeblich. Da holt er sich eine Thailänderin in die Bergeinsamkeit. Und je mehr der Mann und das Mädchen sich näherkommen, desto aggressiver gehen die Dorfbewohner auf Distanz zu der Fremden. Die wird schließlich Opfer eines Unfalls. Die Geschichte endet, wie sie anfing: mit einem Begräbnis.

 

Sein Thema hat Odermatt nicht aus der Luft gegriffen. Immer mehr Bauern finden keine Frauen mehr für ihren Hof, und der Auslanderhaß wächst auch in der Schweiz. Doch Odermatt ließ sich von der Realität nicht dazu verführen, eine laute Anklage zu formulieren. Sein Film beobachtet mit eisiger Ruhe einen gesellschaftlichen Zustand und registriert kühl die Stationen einer daraus folgenden Entwicklung, unsentimental, aber nicht ohne Gefühl. Gerade die Beschränkung auf die nüchternen Gegebenheiten macht seine filmische Erzählung so eindringlich. Der Zuschauer bekommt einen Heimatfilm vorgeführt, wird aber nicht durch folkloristisches Schmuckwerk geblendet.

Christoph Munk

Mit eisiger Ruhe beobachtet

Kieler Nachrichten, 24. April 1991

 

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Was macht ein braver Bergbauer, nachdem seine Übermutter unter der Erde ist? Er sucht sich eine Frau. Auf dem Tanzboden, im Heiratsinstitut – Fehlanzeige. Für fünftausend Franken kann man sich eine nach Europa bestellen, eine Thailänderin, sauber und pflegeleicht – das Klischee ist perfekt. Urs Odermatt hat daraus ein Gekauftes Glück gemacht. Aus der Kaufehe und reinen Zweckgemeinschaft entwächst eine zarte, behutsame Liebesgeschichte zwischen Windleter und Arunotai, von Wolfram Berger und Arunotai Jitreekan einfühlsam dargestellt. Autor und Regisseur Odermatt erzählt diese rührend-schöne Geschichte dieses Paares mit stillen, unspektakulären Bildern. Derb und deutlich, wie von den Schweizer Realisten des 19. Jahrhunderts, fallen diese visuellen Beschreibungen der mißgünstigen Dorfgemeinschaft aus – eine brodelnde Menge, eingebettet in helvetischer Heimatidylle.

Carin Steinlechner

Einfühlsam

Münchner Merkur, 24. April 1991

 

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Weder Lehrstück noch harmloses Erzählkino: Der Spielfilm von Urs Odermatt über einen Schweizer Bergbauern, der sich eine Thailänderin zur Frau nimmt, bewegt sich meisterhaft zwischen Realität und Spiel. Nach dem Tod seiner Eltern will der Windleter (Wolfgang Berger) unbedingt heiraten, aber das Chercher-la-Femme gerät zum Spießrutenlauf, von den heimischen Mädeln verspürt nämlich keine Lust, ihr Leben auf der Alm zu fristen. Alle wollen – wie im richtigen Leben – lieber in die Stadt. Die Kamera fängt den Dorf- und Bauernalltag ohne Übertreibungen ein; Leben in miefigen Wirtsstuben, Bauernhütten oder verstaubten Postämtern. Auch bei Windleters Ausflug nach Zürich leisten Regie und Kameramann gute Arbeit, das Fremdartige und die Verkommenheit der Großstadt präsentieren sich nicht als Gegensatz, sondern nur als Steigerung zur vermeintlichen Dorfidylle.

 

Der Ernst des Films wird immer wieder durch skurrile, manchmal komische Momente aufgelöst. Etwa wenn sich die importierte Thaifrau anschickt, auf der Schweizer Alm Reis zu pflanzen. Daß das kurze Glück der beiden an der Mißgunst und Gewalttätigkeit der Dorfbewohner zerbricht, wirkt nicht einmal zwingend, sondern geschieht fast zufällig. Es ist müßig, über die Motive des Mörders zu spekulieren. Was nützt das noch? Glück, das will der Film wohl sagen, ist ohnehin ein launischer Gesell, besonders wenn es in solch schwierigen Verhältnissen gedeihen soll.

Rheinischer Merkur, Bonn, 26. April 1991

 

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Mit einem Begräbnis beginnt es, mit einem Begräbnis endet der atmosphärenstarke, lakonisch erzählte, mit winzigen, witzigen Episoden versetzte Film. In rauher Unerbittlichkeit kehrt das Schicksal immer wieder beim Windleter (Wolfram Berger) ein, doch der Film ächzt kaum unter der Last des mühlradschweren Kreislaufs. Zwischen den beiden Friedhofszenen liegt die Geschichte: Wie sich der 40jährige Bergbauer eine junge Thaifrau kauft, um etwas Warmes zu haben und dazu zwei kräftige Hände, die auf dem einsamen Hof zupacken können.

 

Eigentlich ist es eine garstige Geschichte, in der die Männer schachern und saufen, gewalttätig sind und verständnislos. Doch Urs Odermatt dämonisiert nicht, er will keine Schlechtigkeit beweisen, kein Exempel exekutieren. In schöner Balance zwischen rauher Unerbittlichkeit und feingesponnenen, kleinen Spielszenen zeigt er das Tragische, das anrührend Menschliche.

 

Selbst der zuhälterische Heiratsvermittler ist tapsig, und man lernt in dem langsamen, aufmerksam beobachtenden Film durch das Zusehen das Verstehen. Auch wenn es uns letztlich so fern bleibt und unbekannt wie die Thailänderin Arunotai. Gerade weil sich viel in der Wortlosigkeit abspielt – sowohl die keusche Begegnung, wie auch die biergeschwängerte Aggression –, nimmt man um so mehr wahr. Bis auf das katastrophale Ende hin bleibt alles in Ruhe: Die Jahreszeiten vergehen, die Beziehung entwickelt sich, der Pfarrer ändert sich ein wenig. Und doch bleibt alles beim Alten, weil sich nichts wirklich ändert angesichts der ewigen Berge im Hintergrund. Doch diese Botschaft kommt nicht schwerblütig und symbolbehangen, sondern weicht einer leichten Traurigkeit, einem trotz aller Tragik gelassen stimmenden Einverständnis in den Lauf der Dinge.

 

Das Schreckliche ist so normal wie ein Sturm im Gebirge, den man ebenso aushalten muß, wie die Dummheit und Ungerechtigkeit der Welt. Fast zu betörend schön ist der Film, fast zu sehr wird man eingesponnen in die schlimme Geläufigkeit des harten Lebens auf dem Lande. Die Sentimentalität wird von leiser Ironie durchzogen, das Erschrecken durch milden Witz, die große Unschärfe des Schicksalsschlages durch die genaue Zeichnung der menschlichen Einzelheiten.

ack

Schöne Balance

Frankfurter Rundschau, 24. April 1991

 

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Das Geschäft mit der Liebe blüht. Die Agenturen mit asiatischen Schönheiten im Versandkatalog haben, zumindest in Urs Odermatts Spielfilm Gekauftes Glück, auch schon die entlegensten Schweizer Bergdörfer erschlossen. So kann Windleter das Problem, daß Kleinbauern als Ehepartner nicht mehr gefragt sind, mit dem Erwerb einer Thailänderin lösen. Die Kommunikation des eidgenössischen Bauern und der Bäuerin aus Asien benötigt keine Sprache, sondern funktioniert auf der Basis der täglichen Arbeit. Der Berghof könnte eine Oase des Liebes- und Lebensglücks werden, wären da nicht die neid- und haßerfüllten Dorfbewohner, die mordlüstern der „Hure“ auflauern.

 

Der junge Schweizer Regisseur Urs Odermatt erzählt mit scharfer Zunge ein Märchen, dessen feiner Schleier immer wieder durch die knallharte Realität zerstört wird. Fingerzeige genügen, um die Liebe zwischen der Fremden und dem im Dorf Geächteten zu entwickeln. Mit Momentaufnahmen und exakten Schnitten zeichnet er die Brutalität der Dorfbewohner, die hyänengleich über das exotische Paar herfallen, das nicht in ihr bigottes Weltbild paßt. Das sensible Spiel eines Werner Herzogs als mörderisch-geiler Gemeindeschreiber, wie auch der Protagonisten Wolfram Berger und Arunotai Jitreekan, macht diesen Film zu einer packenden Geschichte, die wie in Tausendundeine Nacht enden könnte, schließlich aber mit der Beerdigung der getöteten Thailänderin ganz unsentimental zu Grabe getragen wird.

Regine Wittmann

Gewaltig – gekauftes Liebesunglück

Stuttgarter Nachrichten, 24. April 1991

 

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Die Kunde von Sanftmut, Unterwürfigkeit und sonstigen Qualitäten thailändischer Frauen hatten Sextouristen mitgebracht, und clevere Heiratsvermittler witterten gleich eine Konjunkturlücke. Das Geschäft begann zu blühen, denn Männer, bei denen außer Trauschein und Ehebett auch eine Menge Arbeit auf die Frau wartet, haben es bei der Partnersuche schwer. Viele Mädchen in der Dritten Welt wiederum sahen ihre einzige Chance, dem Elend zu entkommen, in der Heirat mit einem Europäer. Daß solche Verbindungen, die auf nüchterner Geschäftsbasis zustande gekommen sind, auch Probleme bringen, versteht sich von selbst. Der Schweizer Regisseur Urs Odermatt nahm die Gelegenheit wahr, die Ehe eines Bergbauern mit einem Thaimädchen als Vehikel für massive Gesellschaftskritik zu benutzen und seinen schweizerischen Landsleuten einen Spiegel vorzuhalten, in den sie sicher nicht gerne hineinschauten. Er brauchte eigentlich nur das uralte Heimatfilmmotiv von Neid, Mißgunst, Haß und Gier in eine aktuelle Situation einzupassen, und der dramatische Bogen war geschlagen. Daß er sich aber zu keinem Happy-End herbeiließ, war eine scharfe Spitze, die ihm wohl mancher Schweizer so schnell nicht verzeihen wird.

Thomas Helling

Scharfe Spitzen gegen die Eidgenossen

Wiesbadener Kurier, 24. April 1991

 

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Auch wenn die Geschichte, die der Schweizer Urs Odermatt in Gekauftes Glück erzählt, auf den ersten Blick äußerst exotisch zu sein scheint, so hat sie doch einen sehr realistischen Ausgangspunkt: Immer weniger Schweizer Frauen haben Lust, ihr Leben auf einem Bauernhof zu verbringen, ganz besonders, wenn er so abgelegen ist wie in diesem Fall. Immer mehr Schweizer Bauern greifen deshalb zu der Möglichkeit, sich eine ebenso ergebene wie tüchtige Frau aus der sogenannten Dritten Welt zu holen.

 

Das ist allerdings nicht das Thema, das den Regisseur interessierte. In seinem Film geht es vielmehr um den Gegensatz zwischen der landschaftlichen Idylle eines Schweizer Bergbauerndorfs und der Mischung aus Fremdenhaß und Frauenverachtung, die seine Bewohner an den Tag legen. Die Männer reagieren mit unverhohlener Geilheit, die Frauen mit Eifersucht. Die Idylle entpuppt sich als Treibhaus von Sexualneid und Konkurrenz, das noch dazu von einem bigotten Pfarrer als Instanz umfassender sozialer Kontrolle kräftig von der Kanzel aus gedüngt wird. Eine seiner direkt adressierten Predigten gibt den Anstoß: Der Gedemütigte, ohnehin einer der Aggressivsten im Dorf, muß seinen Frust abladen und sich beweisen, daß er die schöne Fremde haben kann...

 

Ein böser Heimatfilm also, der an manchen Stellen an Max Frischs Außenseiterdrama Andorra erinnert. Dazu trägt auch bei, daß eine der stärksten Rollen, nämlich die des späteren Totschlägers, von keinem anderen als Werner Herzog gespielt wird, der ausnahmsweise nicht hinter, sondern vor der Kamera agiert.

Beatrix Geisel

Böser Heimatfilm

Rheinpfalz, Ludwigshafen, 24. April 1991

 

 

 

Zunächst erinnerte Urs Odermatts Gekauftes Glück fatal an einen Heimatfilm mit allen Klischees: Angefangen bei den Schweizer Bergen über ein Schweizer Urgestein als Kneipenwirt bis zum Schweizer Brotmesser, mit dem der anfangs etwas tumbe Bergbauer Windleter Käse und Fingernägel schnitt. Erst mit dem Auftauchen der bildhübschen Thailänderin Arunotai kamen Tempo und Spannung in die Geschichte. Einfühlsam und anrührend setzte Odermatt das vorsichtige Kennen- und Liebenlernen der beiden in Szene, stellte den Haß und Rassismus der Dorfbewohner dagegen. Werner Herzog als Totschläger Arunotais sorgte dafür, daß Geilheit und Haß siegten und sich zum Schluß noch einmal die Grabesstille der Anfangsszene über die nun auch äußerlich nicht mehr so heile Bergwelt senkte. Beklemmend echt!

mil

Haß und Rassismus – beklemmend echt

Neue Presse, Hannover, 24. April 1991

 

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Immer mehr Bauern, vor allem in der Westschweiz, holen Frauen aus der Dritten Welt auf ihren Hof und heiraten sie. Der Kulturschock muß unvorstellbar sein. Die wirtschaftliche Völkerwanderung der Bräute beschäftigt zur Zeit einige Schweizer Filmer. Alain Tanner zum Beispiel dreht eine Waadtländer Dorfgeschichte. In der Nidwaldner Version von Urs Odermatt verschwört sich die frustrierte, bösartige Dorfgemeinschaft gegen ein thailändisches Mädchen, das Freude auf einen abgelegenen Hof gebracht hat. Wolfram Berger spielt den treuherzigen Kleinbauern, der nach dem Tod seiner bigotten Mutter allein in Stall und Stube zurückbleibt. Über einen schmierigen Zuhälter ersteht er sich eine sanfte, exotische Bauerntochter. Auf dem windigen Hof beginnt eine schöne Liebesgeschichte. Er massiert seiner Thailänderin die kalten Füße, sie kocht ihm Curry. Beide essen mit den Händen. Argwöhnisch werden sie beobachtet. Die Frauen im Dorf werden eifersüchtig, die Männer geil. Stellvertretend für alle ist der knallharte Gemeindeschreiber (Werner Herzog) hinter ihr her. Wie er sie jagt im Wald, mit seinem Jeep, in Khakiuniform, das erinnert an Bilder aus Vietnam.

 

Odermatt hat die etwas einfache Geschichte als tragischen Schwank inszeniert. Man erhält das Gefühl, die meisten Schauspieler würden sich über die ihnen zugedachte plakative Rolle lustig machen. Gleichzeitig parodieren sie aber die dumpfe ländliche Realität. Das ergibt eine Atmosphäre von dick aufgetragener, aber gekonnter Ironie. Besonders Matthias Gnädinger zieht eine große Nummer ab. Hat Odermatt versucht, die an sich armselige Geschichte zu verfremden, um sie dadurch wirksamer, glaubwürdiger zu machen? Teilweise ist es ihm gelungen. Kommt allerdings noch verfremdend dazu, daß die Schauspieler auf ein genußvolles Nidwaldnerisch synchronisiert wurden.

 

Kein alpiner Liebesfilm kommt heute an Höhenfeuer vorbei. Odermatt hat den Weg der Vereinfachung gewählt. Sexsymbole überall, eine Brunstglocke hängt über dem Dorf. Nidwalden ist läufig. Sogar das Brot hat die Form eines Füdlis.

Miklós Gimes

Exotik in den Alpen

Tages-Anzeiger, Zürich, 2. Juni 1989

 

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Wer hätte gedacht, daß Werner Herzog so ein Arschloch sein könnte? In der Rolle des Gemeindeschreibers Businger spielt er einen feigen, widerlichen Möchtegernmacho, einen sexistischen Sittenstrolch, der vor keiner Schandtat zurückschreckt. Eigene exzessive Regieerfahrungen mit dem tobsüchtigen Egomanen Klaus Kinski mögen ihm geholfen haben bei der Darstellung des notorisch geilen Oberschurken in Urs Odermatts Schweizer Alpendrama Gekauftes Glück.

 

Im Vergleich zu Businger wirken die anderen Einwohner in Oberrickenthal fast wie zivilisierte Menschen. Dabei sind sie bis auf den Bergbauern Windleter und den Gastwirt des „Hirschen“ rechte Spießbürger, die ihre Bosheit und Habsucht nur mühsam unter Kontrolle halten. Doch als der Bauer Windleter eines Tages mit einer jungen, bildhübschen Braut aus Thailand aufkreuzt, rasten die Oberrickenthaler Rednecks aus. Lüstern lauern die Männer dem verängstigten Mädel aus Fernost auf, sie wittern in der Exotin eine Hure, mit der man machen kann, was man will. Die Frauen geifern und schäumen vor Eifersucht, „hiesiges Fleisch ist den Herren wohl nicht mehr gut genug“.

 

Dabei hatte Herr Windleter sich redlich bemüht, eine einheimische Ehefrau zu finden. Doch die jungen Damen konnte er nicht kriegen, und die alten wollte er nicht. Auch über die Heiratsvermittlung lief nichts: Welches moderne Mädel möchte schon auf einem abgelegenen Bauernhof hoch in den Bergen dahinwelken, wo es viel Arbeit und wenig Abwechslung gibt? Also kauft sich Windleter kurzentschlossen eine Bauerntochter aus dem Lande der Thais. Und siehe da, trotz der Sprachprobleme gelingt es ihm, durch Geduld und Zärtlichkeit die Liebe der schüchternen Schönen zu gewinnen. Er gewöhnt sich daran, mit den Händen zu essen und betrachtet gelegentliche Mißverständnisse mit Nachsicht, etwa als seine fleißige Gattin den Bergbach staut und eine Weide unter Wasser setzt, um Reis zu pflanzen. Doch gegen die Intoleranz und Mißgunst ihrer klotzköpfigen Mitbürger kommt die Liebe der beiden Brautleute nicht an, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

 

Odermatt inszeniert seinen Film in langen Einstellungen und tristen, farbarmen Bildern. Das Wetter und die Landschaft wirken unwirklich und kalt, genau wie die Bewohner. Man gewinnt einen Eindruck von der Atmosphäre und Abgeschiedenheit des Alpenfleckens. Einem ahnungslosen Stadtmenschen aus Hamburg oder Berlin dürften die Eingeborenen aus Oberrickenthal fast ebenso exotisch erscheinen wie die Thailänderin.

 

Die 21jährige Arunotai Jitreekan aus Bangkok ist die überragende Darstellerin des Films. Nimmt sich das Spiel der anderen Figuren zuweilen hölzern und bäuerisch aus, so glänzt die Asiatin durch die Intensität, mit der sie Gefühle wie Angst, Panik und Verlorenheit ausdrückt. In ihrer Heimat ist Arunotai Jitreekan bereits ein Star, der in über zwanzig Filmen mitgewirkt hat.

 

Obwohl es in Odermatts Film ähnlich wie in Faßbinders Katzelmacher vor allem um Borniertheit und Fremdenhaß in der Provinz geht, wird ein heikles, aktuelles Thema angerissen: der Handel mit Frauen aus der Dritten Welt. Aus Thailand werden alljährlich fast 20’000 Frauen exportiert, die meisten nach Japan und Hongkong. In Europa ist die BRD der größte Abnehmer. Wer von den Mädchen Glück hat, ergattert einen erträglichen Ehemann. Wer Pech hat, landet im Puff. 1988 wurden bei Polizeirazzien allein in Berlin 785 Thailänderinnen gezählt.

Ralph Umard

Für Berliner – exotisch

Tip, Berlin, 5/1989

 

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...nicht, weil gekauft, geht das Glück zugrunde, sondern wegen der Mißgunst, dem Fremdenhaß, der uneingestandenen Frustriertheit der Umgebung. Ein Bergbauer hat, nach langen Mühen, nach einem Leben mit einer eigensüchtigen Mutter, eine junge Frau in Thailand geheiratet. Im Schnellverfahren, arrangiert vom Vermittler in Zürich, der so die importierte Frau auf sichere Weise los wird. Die Dörfler haben nur das eine im Kopf, reden von der schlitzäugigen Hure, wiegeln ihre Geilheit hoch. Die Frauen tun mit, ein vielstimmiger geifernder Chor.

 

Und so ist, seinem Thema gemäß, manches in Gekauftes Glück widerlich, unerträglich – dieser Machismo, der die fanatische Haßtirade des Pfarrers von der Kanzel prägt und den Werner Herzog in der Rolle des Sägers und Gemeindeschreibers Businger mit offensichtlichem Genuß zum besten gibt. Und so geballt, daß man das kaum noch als bloße Fiktion begreifen kann.

 

Gegen solche Szenen, gegen die ständig spürbare Bedrohung stehen die leisen Begegnungen, in denen sich der Schweizer Bauer (Wolfram Berger) und die Thailänderin (Arunotai Jitreekan) annähern, ohne Worte, weil sie keine gemeinsame Sprache haben; langsam, scheu. Szenen, die Stilleben gleichen, ohne falsche Töne.

Verena Zimmermann

Basler Zeitung, 16. Juni 1989

 

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Nach dem Tod seiner Mutter fehlt dem Innerschweizer Bergbauern Windleter (Wolfram Berger) die Frau im Haus. Da er mit keiner der Dorfschönheiten etwas anfangen mag, läßt er sich ein Bauernmädchen aus Thailand per Katalog aufschwatzen. Allen bösen Zungen zum Trotz, lernen sich die beiden lieben, und das, obwohl sie verbal nicht miteinander kommunizieren können. Im Dorf dagegen macht der Pöbel gegen das Thaifüdli mobil: Haß, Neid und Fremdenfeindlichkeit setzen dem stummen Glück ein jähes Ende. Odermatts Film stieß bei seinem Erscheinen auf einige Ablehnung. Man warf ihm übertriebene Dämonisierung der Schweizer und deren Engstirnigkeit vor.

 

Zugegeben, die Amokläufe Werner Herzogs, der den lüsternen Gemeindeschreiber spielt, sind schwer ertragbar. Doch ansonsten hält sich die Übertreibung in Grenzen. Der Film ist eine Satire, und an deren Spielregeln hält sich Odermatt mit seinem Drehbuch: Seine Schweizer sind entlarvende Karikaturen. Darin liegt wohl der Grund, weshalb Gekauftes Glück hier nicht auf große Gegenliebe gestoßen ist. Leo Sonnyboy (Regie: Rolf Lyssy) ist da viel harmloser und versöhnlicher. Odermatts Film mag Schwächen aufweisen – er weist sicher ebensoviele Stärken auf. Vor allem das Drehbuch ist hervorragend: Endlich ein Schweizer Regisseur, der eine Geschichte zu erzählen hat und der darauf vertraut, daß er dies auch kann, ohne Zuflucht in symbolischen Schnickschnack und intellektuell-pädagogische Eloge zu suchen. Man darf auf weitere Filme Urs Odermatts gespannt sein.

Hannes Schmid

Amokläufe

Aargauer Tagblatt, Aarau, 19. Januar 1990

 

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Hat Sie Gekauftes Glück berührt? Dann sollten Sie der deutschen Bundesregierung und dem ZDF einen Dankesgruß zukommen lassen. Ohne deren Förderungsbeiträge gäbe es den erfolgreichsten Schweizer Film dieses Jahres nicht.

 

Zwar existiert in Bern ein Bundesamt für Kulturpflege mit einer Sektion Film, die heimisches Schaffen unterstützen soll. Dort sitzen Leute, Experten zweifellos, die zu verhindern wissen, daß Sie mit Ihren Steuern einen Film mitfinanzieren, den Sie im Kino sehen möchten.

 

Sie sollten sich besser mit jenen verschwommenen Schwarzweißexperimentalfilmchen anfreunden, die bundesamtlich bescheinigte und geförderte Kunst sind.

Marius Hagger

Blick, Zürich, 11. September 1989

 

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Gerhard Waeger, TR 7, Zürich, 23/1989

 

Heike Kühn, Frankfurter Rundschau, 11.3.1989

 

Brigitte Helfer, Die Welt, Bonn, 7. 3.1989

 

Ponkie, AZ, München, 2.3.1989

In der Diskussionssendung „Ziischtigs-Club“ des Schweizer Fernsehens vom 27. Juni 1989 zum Thema „Die Importware Liebe: Pflegeleichte Frauen aus der Dritten Welt“ war neben dem Gekauftes-Glück-Regisseur Urs Odermatt auch der Embracher Frauenhändler Simon Amstad als Gesprächsteilnehmer eingeladen. Amstad war sichtlich aufgebracht und betrunken, und er drehte durch, als es im Gespräch um Gekauftes Glück ging. Er beleidigte die anwesenden Frauen aus den Philippinen mit wüsten Sätzen wie „Eene het doch en Vogel is Hirni gschisse!“ oder „Wie send denn Si i d’Schwiiz ine cho?“

 

Noch während der Sendung beschwerten sich viele Fernsehzuschauer telephonisch über Amstads unflätiges Benehmen. Selbst die Techniker im Studio „wurden sehr unruhig“. Regisseur Odermatt will gar wissen, daß es kurz nach der Sendung im Studio zwischen Leuten hinter der Kamera und Heiratsvermittler Amstad zu weiteren Auseinandersetzungen gekommen sei.

Leo Lüthy

Blick, Zürich, 29. Juni 1989

 

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Nach den vier Kinofilmen Rotlicht!, (Regie: Urs Odermatt), Der Rekord (Regie: Daniel Helfer), Gekauftes Glück und Schrei aus Stein (Regie: Werner Herzog) hat Produzent Christoph Locher seine Cinéfilm AG stillgelegt und die Miß Schweiz Organisation AG übernommen.

 

Mit der Ex-Miß Schweiz aus dem Jahre 1988, Karina Berger, hat Locher die Schweizer Mißwahl entstaubt und zu einem äußerst erfolgreichen Unternehmen aufgebaut.

 

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Kürzlich lief der Film Gekauftes Glück von Urs Odermatt in einigen Innerschweizer Kinos an. Und da ich wußte, daß dieser in meiner engeren Heimat gedreht wurde, habe ich mich voller Erwartung ins Kino gesetzt, um mir diesen Film anzusehen. Es ist nicht selbstverständlich, daß man sich seines Heimattales auf solch eine Art und Weise erfreuen kann.

 

Doch je länger der Film lief, desto weniger traute ich meinen Augen. War das noch mein Isenthal? War das noch das mir so lieb gewordene, stille, friedliche Bergdorf? Waren das noch die Leute, die ich kannte und mit denen ich einen Teil meines Weges gegangen bin? Nein, und nochmals nein, ich sehe diesen Film als Zerrbild, als Beleidigung des Bauernstands, als Vermarktung dieses einfachen rechtschaffenen Volks. Ich mag diese obszönen Worte, die zuhauf in diesem Film fallen, nicht wiederholen. Ich glaube aber fest, daß dieser Urs Odermatt sich in der Tür geirrt hat. Solche primitiven Ausdrücke und solche entwürdigenden Darstellungen, vor allem der Frau, dienen nur der Verherrlichung der Sünde und des Lasters und sind weit davon entfernt, ein Spiegelbild meiner Heimat und seiner Bewohner zu sein.

 

Ich will es nicht unterlassen, meiner Empörung über diesen Film Ausdruck zu geben – ich empfand ihn als Ärgernis. Haben jene, die dafür Verantwortung tragen, ganz vergessen, was der Herrgott denen angedroht hat, die solches tun? „Wehe der Welt um der Ärgernisse willen. Es müssen zwar Ärgernisse kommen, doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt, für den wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“ Doch selbst des Mühlsteins ist Gekauftes Glück nicht wert.

Hans Hartmann, Zug (Leserbrief)

in: Urner Wochenblatt, Altdorf, 10. Juni 1989

 

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Der Berg ruft – und das Bauerntheater ist schon da. Selbst auf den steilsten Hängen findet sich noch Platz für ein Komödienstadel, und weil man dort oben recht dünne Luft atmet, geht auch den Scherzen schnell die Luft aus. Gekauftes Glück spielt weit hinten in den Schweizer Bergen, wo die Männer knarzig sind und die Frauen fromm, wo die Kirche noch im Dorf steht und man die Kinematographie allenfalls vom Hörensagen kennt. Urs Odermatt benutzt die Kamera wie eine Melkmaschine: Er saugt den letzten Tropfen Leben aus den Bildern, und seine Dialoge stampfen selbst die härtesten Szenen butterweich. Held des Films ist ein Schweizer namens Windleter (Wolfram Berger), der eine Frau sucht für seinen Bergbauernhof, und weil er im ganzen Kanton keine findet, bestellt er sich einfach eine Braut in Thailand. Fortan fragen sich die Dörfler, ob es auf der Alm doch eine Sünde gibt. Und der Film fragt sich, ob er Schwank sein will oder Drama. Und der Zuschauer fragt sich, wie dieser Film zu seinem Titel kommt: Gekauftes Glück – das bezieht sich jedenfalls nicht auf den Erwerb einer Kinokarte.

Claudius Seidl

Die Zeit, Hamburg, 17. März 1989

Er steuert ein 25jähriges Auto durch unsere Wegwerfgesellschaft und reist in den kühlen Norden, wenn andere sich im Süden bräunen. Urs Odermatt stört sich an der Uniformität der Stadtmenschen, am normierten Alltagsdesign und an der vereinheitlichten Architektur: Er schwimmt kräftig gegen den Modestrom. Auch in seiner Arbeit richtet sich der Regisseur nicht nach dem Publikumsgeschmack.

 

Gekauftes Glück war ein Film ganz nach seinem dicken Innerschweizer Grind. Trotzdem hat es ihn gefreut und ermutigt, daß sein zweiter Spielfilm (nach Rotlicht!) ein Erfolg wurde. Mit Gekauftes Glück wollte Odermatt zeigen, daß nichts im Leben nur schwarz oder weiß ist: „Der Windleter ist nicht einfach ein Siihund, weil er sich eine Asiatin kauft.“ Er sei in einer echten Notlage: „Einen Knecht kann er sich nicht leisten. Findet er keine Frau, muß er den Hof verkaufen.“

 

Alles habe zwei Seiten, sagt Urs Odermatt, der Polizistensohn. Auch die Geschichte, die er jetzt schreibe: Wachtmeister Zumbühl erzählt von einem integeren Gesetzeshüter, der in einem verlassenen Gebäude ein vergewaltigtes Mädchen findet. Ihm wird klar, daß sein eigener Sohn der Täter ist. (...)

 

Die Geschichte hätte nichts mit seinem Vater zu tun, betont der Autor. Doch das Leben neben dem Polizeichef von Nidwalden hat Odermatt allemal geprägt: „Meine Kollegen hatten immer Angst, daß ich sie verpfeifen würde. Deshalb mußte ich den Stein werfen, wenn es darum ging, ein Fenster einzuschlagen.“ Daß sich Odermatt heute den Normen widersetzt, mag auch an seiner Schulzeit in der Klosterschule in Stans liegen. Das Kollegium empfand er als Bedrohung seiner persönlichen Freiheit: „Selbst außerhalb der Schule war der Stundenplan genau vorgeschrieben.“ Aber anstatt sich nachmittags den Hausaufgaben zu widmen, schlich er sich zwecks Weiterbildung durch den Notausgang ins örtliche Kino. Ärger mit der Schulleitung nahm er in Kauf.

 

Heute wird der 35jährige Nachwuchsfilmer von den international anerkannten Regisseuren Krzysztof Kieślowski und Edward Żebrowski in Dramaturgie, Regie und Schauspielführung ausgebildet: „Alles, was ich vom Filmen weiß, habe ich den beiden Polen zu verdanken.“ Er liebt das europäische Erzählkino, bewundert einen Miloš Forman, Claude Chabrol oder Roman Polański. Doch so tief Urs Odermatt in der Alten Welt verwurzelt ist, so fremd ist ihm die Neue: „Zwischen Atlantik und Pazifik herrschen Einheitsgeschmack, Einheitssprache.“ Weder New York noch Hollywood wäre das richtige Pflaster für den eigenwilligen Nidwaldner Grind.

Nadine Woodtli

Nidwaldner Grind

Tele, Zürich, 45/1990

Sie ist ein Naturtalent, die Schauspielerin Marie-Thérèse Mäder, 21. Entdeckt hat sie ihre große Liebe, der Regisseur Urs Odermatt. Ihren ersten großen Auftritt hatte sie als frühreife Bäckerstochter in seinem Kinohit Gekauftes Glück. Statt sich die Gage auszahlen zu lassen, wünschte sich Marie-Thérèse Mäder ein Filmrequisit. Einen feuerroten Fiat 500. „Er ist der einzige Luxus, den ich mir leiste.“ (...) Ein Mädchen mit großer Zukunft.

I. W.

Das feuerrote Glück

Schweizer Illustrierte, Zürich, 43/1990

(...) Si tout va bien, le public francophone pourra voir aussi cet automne le film qui fait courir les Suisses allemands: La fiancée thaïlandaise (Gekauftes Glück) d’Urs Odermatt. Premier au hit-parade 89 des films suisses, il caracole joyeusement vers les 50’000 entrées. Son sujet est l’exacte transposition du phénomène des Mauriciennes en Suisse centrale: „Je viens moi-même de Nidwald, un canton où le tiers des paysans sont des célibataires malgré eux“, explique le metteur en scène. La réalité qui l’a inspiré est tellement brûlante qu’il n’a pas obtenu facilement l’autorisation de filmer dans le lieu de son choix: Isenthal, dans le canton d’Uri. „Chez nous,“ lui a-t-on expliqué, „la moitié des hommes ne trouvent pas de femme, et on n’en est pas fier.“

 

L’épouse achetée pour 5000 francs par le héros de Gekauftes Glück à un importateur zurichois est Thaïlandaise: „Avant, les hommes de Suisse centrale traversaient le Gothard,“ raconte Urs Odermatt. „Ils profitaient de leur service militaire au Tessin pour ramener des Italiennes, puis des Espagnoles. Mais peut-être les Italiennes sont-elles devenues trop chères... II y a eu une période philippine, et maintenant arrivent les Thaïlandaises.“ Le réalisateur nidwaldien parle en termes crus, mais il a imaginé, entre le paysan de montagne et la fille des rizières, un rapport tout autre que caricatural. Un amour délicat, une complicité muette fleurit entre ces deux êtres d’un autre âge qui n’ont aucun mot, mais mille gestes en commun. C’est du village que naîtront la haine et l’incompréhension, car la poupée thaïe, dans l’esprit des gens, ne peut que sortir d’un bordel du Niederdorf. (...)

Anna Lietti

Femmes noires, rêve de Blancs

L’Hebdo, Lausanne, 31. August 1989

Ganz im Vertrauen auf folkloristischen Reiz und den Kontrast, der sich durch die Konfrontation eines schweizerischen Bergdorfs mit dem Soft-Sex-Schmelz einer Thaischönheit ergibt, entwickelt dieser Film, dessen Titel mit dem Erwerb der Kinokarte nicht identisch ist, seine Geschichte – mit sicherem Gespür für gängige Klischees. Selten zerfallen in der Rezeption Form und Inhalt so wie hier, läßt sich das eine dennoch genießen, obwohl das andere unmöglich ist. Man taucht ein in die schönen Bilder ruraler Archaik, gibt sich sanften Fahrten und Schwenks über dunstverhangene Täler und Almwiesen hin, nimmt dafür Karikaturen dörflicher Bewohner in Kauf, sogar den obligatorischen Dorfdepp, auch den kauzigen Postbeamten, den rohen Lüstling, den calvinistisch-strengen Pfarrer, die dummgeile Bäckerstochter, den gemütlichen Wirt und vor allem den verschlossenen, ruppig-wortkargen, aber ungemein sympathischen Bergbauern auf Frauensuche. Das Alpenland fungiert als exotische Kulisse für eine andere Form der Exotik: das Thaimädchen, das sich der Bauer nach dem Tod seiner Mutter für fünftausend Franken kauft. Zart, schüchtern, in Pastelltöne gekleidet, mit schwarzem Haar und großen Augen betört sie den Bergbauern („Ich wollte eigentlich nur etwas zum Arbeiten“), so wie sie das Publikum betören soll. Durch ihre Reinheit dient sie als Katalysator für das Aufbrechen des moralischen Sumpfs, der sich ob der ungleichen Heirat im Dorf zusammenbraut. Als zwischen Thaigirl und Bergbauer eine zärtliche Liebe entsteht, ein anrührendes, stummes Einverständnis, ein unkörperliches, kindlich-harmloses Verhältnis – da nützen auch all die schönen, regenverschleierten Bilder nichts mehr: Man will es einfach nicht glauben, daß angesichts einer wirklichen Problematik – dem Menschenhandel mit asiatischen Frauen – ein solcher Film ganz ungebrochen entstehen konnte. Wollte er in der Fiktion die Realität wieder gut machen, oder war es ihm allen Ernstes ein Anliegen, zu zeigen: Nicht alle Thaifrauen sind Huren, es gibt auch sehr süße, anständige, in die man sich richtig verlieben kann. So oder so werden in diesem Film krude Männerphantasien zum klebrigen Romanzenkitsch mit melodramatischem Einschlag umgeschmolzen, denn zum Schluß darf die Schöne – in bester viktorianischer Tradition, an die der Film in seiner Prüderie und Doppelmoral erinnert – den zwar gewaltsamen, aber romantischen Tod sterben: Als tote Geliebte kann sie weiter verklärt werden; stumm war sie vorher schon.

 

Solch ein Film mag aus den durch Projektionen entstandenen Angsttraumata geboren sein, die emanzipierte Frauen in Männern auslösen – als sexuelle tauchen sie an der Leinwand nur als keifende Hyäne oder frivol-lüsternes Kindweib auf. Sich deshalb in den unbefleckten Schoß einer Unschuld, die hier an die Stelle der Mutter tritt, zurückstehlen zu wollen, kann selbst für unemanzipierte Männer kein ernstgemeinter Traum sein.

Annette Brauerhoch

epd-Film, Frankfurt am Main, April 1989

 

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Isenthal, canton d’Uri. C’est ici que le cinéaste Urs Odermatt avait posé ses caméras en 1989, pour tourner son film La fiancée thaïlandaise. (...) „J’ai cherché un lieu où la réalité rejoignait la fiction. Une vallée d’orientation est-ouest, c’est-à-dire sans transit sur le sud, coupée en hiver par les avalanches, donc impraticable au tourisme.“ Le lieu était si bien choisi, que le cinéaste avait failli ne pas pouvoir y tourner: „Ici, la moitié des hommes ne trouvent pas de femme et nous n’en sommes pas fiers“, avaient dit les villageois.

 

Isenthal, dix ans plus tard. Le village sort juste de son isolement imposé par les avalanches de ces derniers jours. La route serpente à même la falaise, en aplomb sur le Lac-des-Quatre-Cantons, et débouche dans une vallée latérale, 400 mètres plus haut. Lac, brouillard, neige: nous y voici. Une église de style classique, quelques maisons le long de la route, un torrent qui rugit en contrebas: la vallée est étroite, comme écrasée par les sommets alentours. Sur ses pentes, les fermes s’agrippent. Certaines ne sont reliées au village que par des funiculaires privés.

 

Dix ans après, les trois frères Arnold sont toujours là: Anton, Theodor et Franz. Il y a aussi Heinrich Bissig junior, qui vit toujours chez son père, là-haut du côté de Berg. Ou encore Anton Gisler. Ils ont entre 40 et 70 ans. Aucune femme n’a voulu d’eux. Et maintenant, c’est déjà trop tard. (...)

Christophe Hans

Visite à Isenthal

Le Temps, Lausanne, 6. März 1999

 

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Ein Schweizer Film, der bessere Einnahmen erzielt als James Bond! Gekauftes Glück, der kontroverse Heimatfilm, schlägt beim Publikum ein wie eine Bombe.

Wynentaler Blatt

Menziken, 3. November 1989

 

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Gekauftes Glück von Urs Odermatt bringt die am Ende tödliche Konfrontation, die daraus erwächst, daß eine asiatisch-exotische Frau in der Abgeschlossenheit eines Schweizer Alpendorfs so unwiderstehlich anziehend wie erbarmungslos nicht geduldet ist, in Bildern und Szenen eines schönen und traurigen Märchens ohne Happy-End unter. Tragisches und Komisches berühren sich. Lauter Momente und Augenblicke eigener Wahrheit, die das ganz und gar Erfundene der Geschichte so beglaubigen, daß diese sozusagen von selbst stimmt.

Hans Janke

ZDF-Jahrbuch ’91

 

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Das Szenario ist bestens geeignet, Muff und Enge der Schweizer Bergwelt nachzuzeichnen. Der jungen Frau schlagen Rassismus und Gewalt entgegen, die eidgenössische Geistlichkeit erscheint in überaus unvorteilhaftem Licht. Hier ist der kritische Heimatfilm in seinem Element.

 

(...) Ein ruhiger und mit kargen Dialogen versehener Film, der von der Regie und dem Spiel einer hochkarätigen Besetzung lebt.

Frank Lüdecke

Der Tagespiegel, Berlin, 24. April 1991

 

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Urs Odermatt ist ein geborener Geschichtenerzähler und spielt geschickt mit den Erwartungen des Publikums, die er zu dessen und seinem eigenen Vergnügen unterläuft. So begnügt sich sein Held nicht mit dem Möglichen im Rahmen des Gegebenen, sondern ergreift die Flucht nach vorn – mit der Sympathie des Zuschauers. Statt sich über den Windleter zu entrüsten, der doch widerrechtlich und amoralisch eine Frau kauft, wendet sich der Groll des Publikums bald gegen jene Figuren, die selbstgerecht die Unmoral beklagen. Was als sozialkritische Fallstudie über das programmierte Scheitern einer käuflichen Ehe angelegt schien, erweist sich als romantische Liebesgeschichte, in der es plötzlich möglich erscheint, daß Phantasie und Liebe (und handfeste Argumente) Vorurteile pragmatisch überwinden.

Tibor de Viragh

Der Landbote, Winterthur, 7. Juni 1989

 

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Urs Odermatt inszeniert Memoiren aus der Provinz, verpackt in eine zügige Story, mit strengem Auge fürs Detail, vielen Sinnfälligkeiten und durchgehenden Stilmitteln. So zersägt der wilde Businger ununterbrochen Bretter, oder die Bäckerei mit der aufreizenden Bäckerin wird zum Traumraum für die erotischen Wünsche des Windleters. Die Geschlossenheit und Festgefahrenheit von Oberrickenthal zeigt sich an den immergleichen Örtlichkeiten Kirche, Post und Beiz. Und die Farbe Rot steht für die wenigen Farbtupfer, die das Leben noch zu bieten hat. Für den Wirt sind es der Wein und der Fiat seiner Serviertochter, für Windleter sind es die Bänder in den Haaren der Mädchen.

Erika Keil

Vaterland, Luzern, 1. Juni 1989

 

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Mit der vitalen, aber differenzierten Darstellung des „Hirschen“-Wirts zeigt Mathias Gnädinger eine seiner besten schauspielerischen Leistungen im Film. (...) Der wortkarge, etwas schüchterne und ortsunüblich zartbesaiterte, wenn’s darauf ankommt aber durchaus zielstrebige und hartnäckige Windleter ist seit langem Wolfram Berger beste Filmrolle.

Franz Ulrich,

Zoom-Filmberater, Zürich, 9/1989

 

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Werner Herzog ist als Gemeindeschreiber Businger ein weitaus differenzierterer Brunnenvergifter als sein Freund-Feind Klaus Kinski.

Helmuth Zipperlen

Solothurner Zeitung, 1. Juni 1989

 

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Werner Herzog è strepitoso come cattivo del villaggio.

Paolo d’Agostini

La Repubblica, Rom, 29. September 1989

 

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Werner Herzog als Gemeindeschreiber Businger wird zum Vollstrecker des Volkswillens.

Ralph Umard

Tip, Berlin, 5/1989

 

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...er spielt einen Besessenen, einen Vereinsamten, Trostlosen, einen Sisyphus, ein diabolisches Mannsbild, einen seelischen Trümmerhaufen – Herzog spielt Kinski in Nidwalden.

ten.

Stuttgarter Zeitung, 4. März 1989

 

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Furtüna cumpreda a San Murezzan. Nu manchantè quist film!

Fögl Ladin

Samedan, 13. Oktober 1989

 

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Man verläßt das Kino irritiert. Man hat viel gelacht. Oft mit schlechtem Gewissen.

Urs Bader

St. Galler Tagblatt, 2. August 1989

 

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Atmosphärisch dicht entwickelter Debütfilm mit skurrilem Humor, pfiffigen Dialogen, ausdrucksstarken Gesichtern und stimmiger Farbdramaturgie, der seiner sensiblen Zeichnung der Liebesgeschichte eine gesellschaftskritische Karikatur der Dorfbevölkerung gegenüberstellt.

Karl-Eugen Hagmann

Film-Dienst, Köln, 5/1989

 

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Urs Odermatt winkt nicht mit dem Zaunpfahl. Er schlägt mit dem Zaunpfahl um sich.

Sven Gächter

Die Weltwoche, Zürich, 8. Juni 1989

Gekauftes Glück